Orthopädie und Unfallchirurgie



Orthopädie


Die Orthopädie befasst sich mit der Entstehung, Verhütung, Erkennung und Behandlung angeborener oder erworbener Form- oder Funktionsfehler des Stütz- und Bewegungsapparates, also der Knochen, Gelenke, Muskeln und Sehnen sowie mit der Rehabilitation des Patienten.

Die orthopädische Behandlung bedient sich unter anderem chirurgischer Verfahren, der Physiotherapie, der orthopädischen Schmerztherapie mittels wirbelsäulennaher Anästhesieverfahren, der physikalischen und medikamentösen Arthrosebehandlung und der Orthopädietechniker und -schuhmacher zur Anpassung von Hilfsmitteln, (z. B. Einlagen für Schuhe, Schuhzurichtungen an vorhandenen Konfektionsschuhen, Herstellung speziellen Schuhwerkes für Patienten, denen die Konfektion nicht gerecht werden kann). Ein wichtiges Arbeitsfeld ist die Orthopädie im Kindesalter. Vieles, was im Erwachsenenalter zu bleibenden Problemen werden kann, lässt sich beim Kind noch richten oder begradigen. Die Beratung bei der Berufswahl kann spätere Erkrankungen verhindern. In der Operationsvermeidung liegt ohnehin eine der Hauptaufgaben der Orthopäden: Krankheitsbilder früh genug zu erfassen und so zu behandeln, dass eine Operation nicht notwendig wird. Orthopädische Vorsorgeuntersuchungen starten beim Säugling mit der Hüftsonographie am besten gleich nach der Geburt. Des weiteren ist eine orthopädische Vorstellung im Schuleintrittsalter, dann beim Erreichen der Pubertät sowie beim Berufsstart sinnvoll.

Unfallchirurgie


Die Unfallchirurgie befasst sich mit den operativen Verfahren zur Wiederherstellung und Erhaltung, der durch Unfälle beschädigten Strukturen am Bewegungsapparat des Menschen. Verletzungen betreffen in erster Linie den Bewegungsapparat (das knöcherne Skelett und Muskeln, Bänder und Sehnen, aber auch Bauch- und Brustorgane, sowie das Gehirn und das Rückenmark. Dabei stellt die Behandlung von Kindern im Rahmen der Kindertraumatologie aufgrund der besonderen Bedingungen am wachsenden Organismus eine spezielle Unterdisziplin dar.

Als erste Instanz empfängt die Unfallchirurgie unfallbedingte Notfälle und und versucht, diese (bio)mechanisch zu "stabilisieren", um weiterführende medizinische Behandlungen zu ermöglichen.

Die Gebiete der operativen Orthopädie und der Unfallchirurgie überlappen sich insoweit, dass von den Berufsverbänden eine Zusammenführung der Fachgebiete durchgeführt wurde. Seit dem Jahr 2005 gibt es einen gemeinsamen "Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie". Dies ist ein Produkt der europäischen Vereinigung, da es traditionsbedingt nur in Österreich und Deutschland eine Trennung zwischen Orthopädie und Unfallchirurgie gibt.








Orthopäden und Unfallchirurgen versorgen ein breites Spektrum an angeborenen und erworbenen Erkrankungen. Das Organ, das im Zentrum dieses gemeinsamen Faches steht, ist das muskuloskeletale System.
Versorgt werden alle Lebensalter, vom Säugling mit angeborenem Klumpfuß bis zum Greis mit gebrochenem Oberschenkelhals.
Das Spektrum der behandelten Erkrankungen reicht von der Arthrose der großen und kleinen Gelenke, bei denen der Knorpel degeneriert und die Gelenkflächen schließlich aufeinander reiben, über Unfall- und Sportverletzungen, Körperbehinderungen und Lähmungen bis zu den Systemerkrankungen Rheuma und Osteoporose.
Die allermeisten Patienten werden konservativ behandelt.
Auch die meisten Patienten mit Arthrose erhalten keinen Gelenkersatz, sondern eine konservative Therapie. Der Gelenkersatz kommt bei der Arthrose erst dann in Frage, wenn die konservativen Therapien versagen.

Die Wurzeln der Orthopädie liegen in der Krüppelfürsorge, die nicht nur die Korrektur der angeborenen oder erworbenen Behinderungen oder Verletzungen im Blick hatte, sondern auch die Integration der Betroffenen in das gesellschaftliche und soziale Leben. Teilhabe ist deshalb stets ein wichtiges Behandlungsziel dieses Organfachs gewesen.
Die Orthopädie arbeitet auch seit jeher mit den angrenzenden medizinischen Disziplinen zusammen, etwa der Kinderheilkunde, der Neurologie, der Inneren Medizin und der Psychiatrie.
In einigen Bereichen hat sich diese Zusammenarbeit über die Zeit vertieft, in anderen Bereichen hat es Verschiebungen gegeben.
Die Früherkennung von Hüftfehlbildungen bei Neugeborenen durch Sonographie beispielsweise – früher eine Domäne der Orthopädie – liegt heute vor allem in der Hand der Pädiater. Bei der Systemerkrankung Rheuma, einer chronisch entzündlichen Erkrankung der Gelenke, existiert eine enge Zusammenarbeit mit der Inneren Medizin. Rheuma ist eine immunologische Erkrankung, die heute vielfach mit Biologika behandelt wird. Diese greifen sehr grundlegend in den immunologischen Krankheitsprozess ein, was internistische Komplikationen zur Folge haben kann.
Viele Sport- und Unfallverletzungen können durch eine angemessene Prä- vention und Sturzprophylaxe vermieden werden. Orthopäden und Unfallchirurgen wächst mithin auch eine immer größere Rolle bei der Implementierung eines gesunden Lebensstils zu. In diesen Zusammenhang gehört auch Adipositas als eigenständiger Risikofaktor für eine Arthrose.
Bei orthopädischen Erkrankungen fehlt grundsätzlich oft der ursächliche Zusammenhang zwischen den Beschwerden, dem klinischen Befund und der bildgebenden Diagnostik. Schmerz, das Hauptsymptom der meisten Arthrosen und Wirbelsäulenerkrankungen, ist eine große Herausforderung für Orthopäden und Unfallchirurgen. Nicht selten ist er psychisch bedingt und Schmerzerlebnis und Verschleißerscheinungen korrelieren nicht zwangsläufig miteinander.

In Zukunft wird auch die Bedeutung der Orthogeriatrie zunehmen. Der aus den Wörtern Orthopädie und Geriatrie zusammengesetzte Begriff steht für eine Versorgung, bei der orthopädisch-unfallchirurgisches Wissen mit geriatrischem Wissen kombiniert wird. Wegen der steigenden Lebenserwartung verletzen sich immer mehr ältere Menschen bei einem Sturz. Diese Kranken haben in der Regel eine ganze Reihe von Begleiterkrankungen und geriatrische Probleme, die bei der Behandlung berücksichtigt werden müssen. Auch bei der Umsetzung der Vorgabe „Rehabilitation immer vor Pflege“ sind Orthopäden und Unfallchirurgen gefragt.


Open Access. © 2017 Psczolla, Kladny, Flechtenmacher, Hoffmann und Dreinhöfer, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 Lizenz. https://doi.org/10.1515/9783110535655-002